Von der Balje zur Dusche (um 1935 bis heute)

von Claus Günther | Wenn mir als kleines Kind beim Spazierengehen ein angebissener Apfel in den Sand kullerte, wurde er kurz abgepustet und mir mit den Worten in die Hand gedrückt: „Das macht nichts – büschen Dreck reinigt den Magen!“ Vermutlich hat das wirklich die körperlichen Abwehrkräfte gestärkt.

Wir durften damals nicht allzu zimperlich sein. 1935, da war ich vier Jahre alt, wohnten wir in einem Mietshaus ohne eigene Toilette, es gab nur eine gemeinsame – im Treppenhaus. Ein Badezimmer mit eingebauter Wanne, Dusche und Warm-kalt-Wasserhahn war für uns nicht vorstellbar. Kaltes Wasser zum Waschen war gang und gäbe. Waren Gesicht, Hände oder Knie gar zu schmutzig, wurden sie mit der Nagelbürste bearbeitet – „Stell dich nicht so an!“, notfalls im noch lauwarmen Abwaschwasser – und kalt abgespült.

Das Waschwasser war kalt, die Küche auch, besonders im Winter. Immerhin: Einmal in der Woche wurde in der obligatorischen Zinkwanne „gebadet“, der Balje. Das Badewasser, im Kessel auf der Herdplatte erhitzt, musste allerdings für drei Personen reichen. Wir stiegen nacheinander in die Wanne: erst Vater, dann Mutter. Ich musste draußen warten; sie gaben sich keinerlei Blöße.

Ich bekam jedoch frisches warmes Wasser „nachgeschenkt“. Die volle Zinkwanne, Balje genannt, wurde anschließend mit einem Gefäß so weit leergeschöpft, dass sie zum Handstein transportiert und dort ausgeleert werden konnte – vorsichtig, damit nichts überschwappte.

In den Sommerferien ging ich ins Freibad am Außenmühlenteich in Harburg; für Kinder betrug der Eintritt 15 Pfennige. Wenn es richtig heiß war, konnte ich mich später in der Waschküche meiner Großmutter mit dem Gartenschlauch abduschen.

Die Annehmlichkeiten einer „richtigen“ Badewanne habe ich erst mit 13 Jahren kennen gelernt: 1944, während der Kinder-Land-Ver-schickung, im Kurbad von Mährisch-Weißkirchen (Hranice), ausgerechnet in der angeblich rückständigen Tschechoslowakei, nahe der polnischen Grenze.

Nach dem Krieg habe ich in der Süderelbe bei Harburg gebadet, damals war der Fluss noch sauber. Während meine Eltern und ich nach der Ausbombung im Haus meiner Großmutter wohnten, hausten meine Schwiegereltern in Holm-Seppensen in einem Behelfsheim. Als sie 1955 in Hamburg eine Wohnung bekamen, heirateten meine Frau und ich und zogen nach Holm-Seppensen. Dort lernte ich dann auch noch das Plumpsklo auf dem Hof und die Wasserpumpe kennen.

In den 60er Jahren schließlich (längst hatten wir in Hamburg eine eigene Wohnung) schafften wir uns eine Waschmaschine an.

Dass unsere Wohnung ein Bad mit Wanne und Dusche hat, ist heutzutage nahezu selbstverständlich – ebenso, dass zu Hause jederzeit warmes Wasser verfügbar ist.

Früher mag ja manches besser gewesen sein, aber eben beileibe nicht alles.

Autor: Claud Günther