Spielzimmer und Hausschlachtung (1944 bis 1959)

von Otmar Hoffmann | Nach meiner Geburt im Krankenhaus Neumünster war unser Zufluchtsort das Wohnhaus meiner Großeltern. Es war aus Ziegelsteinen gebaut, Baujahr 1927. Meine Mutter und ich waren in einem Zimmer im Dachgeschoss untergebracht (ca. 12qm).

Das Zimmer nebenan war meinen beiden noch jungen Tanten vorbehalten. Das Erdgeschoss bewohnten meine Großeltern und ihr jüngster Sohn (heute mein letzter Zeitzeuge der NS-Zeit).

Das Haus war auf Selbstversorgung aus- und eingerichtet, auf dem Lande üblich. Die Küchenausstattung: Kohlenherd, Kaltwasserhahn und Becken, kühler Nischenschrank, Tisch und Gestühl. Nebenan die Waschküche mit beheizbarem Kessel.

Im Wohnzimmer stand ein Kachelofen, der warme Mittelpunkt im Haus. Im Keller befand sich eine Räucherkammer für die Schätze einer Hausschlachtung und das große Regal für das „Eingemachte“. Meine Erinnerung an eine Hausschlachtung: Kalte Jahreszeit, unser Schwein wurde geschlachtet und ich habe es gesehen. Die Ausführung fand manuell und ohne Betäubung statt. Erstaunen meinerseits über das Geschehen und das Gesehene! Dann die Hektik der weiteren Zubereitung. Blutwurst, kochendes Fleisch, Dämpfe, ein Durcheinander: Oma Paula: „De Gören mütt ruut!“ Alles war fertig und es gab die lang ersehnte Grützwurst mit Rosinen. Sie schmeckte!

Im zweistöckigen Anbau befand sich eine Stallung mit Freilaufgehege, Platz für drei Schweine. Über eine Anlegeleiter war der Dachboden erreichbar. Hier wurde Wäsche getrocknet, Gemüse, Obst und gesammelte Nüsse. Es wurden diverse Geräte aufbewahrt und es war bei Regenwetter mein „Spielzimmer“.

Unten, neben den Schweinekoben, befand sich der Schlafplatz für unseren Hofhund „Türk“, mein Spielgefährte und Beschützer in meinen Kindertagen. Im Anbau befand sich nahe der Abfallgrube das „Plumpsklo“.

Im Freilaufgehege hatte das Federvieh seinen Auslauf und den Gelegekasten. Abseits konnten sich die beiden Schweine in der Erde suhlen. Nahe am Haus für Gemüse befand sich der Nutzgarten.

Weiteres Pachtland befand sich auf dem Bahngelände, neben den Schienen. In der Nähe der Bahnhof Bornhöved, an der Kleinbahnstrecke von Kiel nach Segeberg. Dies war der Arbeitsplatz meines Großvaters.

Eine neue Bleibe fanden wir im Siedlungshaus der Siedlung Sanden, ca. 2 km außerhalb von Bornhöved. Die Häuser wurden ab 1935 im Rahmen der NS-Aufrüstung gebaut. Hier wohnten Arbeitskräfte und Bahnbedienstete zum Betrieb der entstehenden Anlage des Sperrzeugamtes der Marine. Eine Vorbereitungsmaßnahme zum Krieg.

Das Siedlungshaus, in das wir 1950 einzogen, wurde in Eile kurz vor Kriegsbeginn fertig gebaut: Schlichte Bauweise und Ausstattung, ohne fließend Wasser. Zu viert wohnten wir „unterm Dach“ mit spärlicher Dämmung.

Das Erdgeschoss war bereits von einer ebenfalls vierköpfigen Familie belegt. Die vormaligen Eigentümer waren zuvor nach Kiel verzogen. Über die weitere Nutzung einigten sich unsere Familien ohne Formalitäten und Streit.

Mit der Pumpe im Hof wurde Grundwasser gefördert, bei Frost ein Problem. Abseits draußen das Plumpsklo. Das Gartengelände war aufgeteilt. Gemüseanbau, Hühnerhaltung, Suppentauben, Stallkaninchen. Unsere Siedlung grenzte an die Feldmark und das Trappenkamper Gelände.

Bornhöved, eine gewachsene holsteinische Ortschaft, war durch die Nähe zu Neumünster, Hamburg und Kiel begünstigt. So war der Ort ein Anziehungspunkt der umliegenden Dörfer.

Für mich war es interessant, die naturnahe Umgebung näher kennen zu lernen. Da war die „Schietkuhl“, eine bewachsene Kiesgrube, die mit den Abfällen aus der Gemeinde befüllt wurde. Diese wurden von uns nach Altmetall und Brauchbarem durchstöbert. Es war ein Abenteuerspielplatz.

Der „Katenlandsdiek“, ein Tümpel mit Fröschen, Molchen, Quappen, im Winter mit gefahrlosem Schlittschuhlaufen. Die „Feldmark“, zum „Trappenkamper Wald“. Hier kam es zum „Kräftemessen“ mit den gleichaltrigen Trappenkampern unserer Siedlung.

Bei den Bauern der Umgebung gab es das notwendige Taschengeld zu verdienen: Erbsen- und Bohnenpflücken, Kartoffelsammeln, und bei der Bekämpfung des Kartoffelkäfers per Hand. Aber auch für die Mithilfe bei der Gartenarbeit und Kleintierhaltung in der Familie. Weiterhin: Wildfrüchte sammeln für den Eigenbedarf: Himbeeren, Brombeeren, Holunderdolden, Holunderbeeren, Haselnüsse und Schlehen im Herbst, Fallobst von den Gemeindebäumen.

So erlebte ich eine Kindheit, an die ich mich noch heute gern erinnere.

Autor: Otmar Hoffmann