Es geht aufwärts (1950 und davor)

von Günter Lucks | Nun war ich also im Januar 1950, nach fünfjähriger Kriegsgefangenschaft in Russland, wieder zu Hause in Hamburg. Zwar war ich noch lange krank, konnte aber dann im April meine Arbeit bei der Post wieder aufnehmen.

Hier hatte es eine Währungsreform gegeben, erklärte man mir, und jeder Mensch bekam DM 40,- von diesem neuen Geld. Auch wir Entlassenen im Lager Friedland bekamen jeder diesen Betrag. Der Schauspieler Gert Fröbe hatte den Begriff vom „Otto Normalverbraucher“ geprägt. Der sollte nun versuchen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Voraussetzungen waren ja auch ganz gut. Die Trümmer in den Städten mussten beseitigt werden. Der Wiederaufbau begann und die Menschen hatten Arbeit genug. Vollbeschäftigung hieß es. Über Nacht konnte man Waren in den Schaufenstern sehen, von denen man in der Kriegs- und Nachkriegszeit nur hatte träumen können.

Vorher, so erfuhr ich, gab es die sogenannte Zigarettenwährung. Für Glimmstängel, einzeln oder in Packungen, konnte man fast alles erstehen, hieß es, besonders, wenn es sich um Amizigaretten wie Lucky Strike oder Camel handelte. Und dann der Schwarzmarkt. Es wurden illegal Waren getauscht und man suchte zusammen, was man entbehren konnte, um Mangelware zu ergattern. Wie viele andere Leute auch, fuhr meine Mutter in überfüllten Zügen auf das Land und tauschte gegen Bettwäsche und einige Krawatten fünf Pfund, oder etwas mehr, Kartoffeln ein. Bei der Rückkehr musste man höllisch aufpassen, denn, wie auch beim Schwarzhandel, erschienen plötzlich Polizisten und nahmen den Menschen das Handelsgut oft wieder weg. Ich fragte mich, ob so etwas richtig war.

Beim Schwarzhandel kam es auch zu vielen Betrügereien. Ein Bekannter von uns wollte eine Weihnachtsgans kaufen, gab Zigaretten und ein Oberhemd dafür. Der Andere hatte ein großes Paket, holte den Gänsehals heraus, um zu zeigen, was darin war, stopfte ihn wieder hinein und der Handel war perfekt. Zu Hause stellte der Freund fest, dass im Paket nur ein Paar zerlumpte Schuhe, viel Papier und der Gänsehals enthalten waren.

Auch mein Stiefvater wurde einmal betrogen. Er wollte zehn Feuersteine für sein Feuerzeug kaufen und bot fünf Zigaretten und drei Glühbirnen dafür an. Zu Hause stellte er dann fest, dass es sich bei den „Feuersteinen“ um kleingesägte Fahrradspeichen handelte. Damit konnte er kein Feuer entzünden. Aber das war nun alles vorbei und bis auf einige Bezugskarten gab es auch keine Lebensmittelkarten mehr. Man konnte also wieder hoffen.

Autor: Günter Lucks