Die Lebensmittelkarte (1939-1945)

von Richard Hensel | Mit Beginn des 2. Weitkriegs bekamen alle deutschen Volksgenossen (so wurden wir damals genannt) eine Lebensmittelkarte und eine Kleiderkarte. Außerdem gab es für besondere Anschaffungen, wie z.B. Kohlen für den Winter oder ein Verdunklungsrollo, Bezugscheine.

Die Lebensmittelkarte wurde immer für einen Monat ausgegeben und zwar für jedes Familienmitglied eine einzelne Karte. Ein weiteres Kriterium war die Menge der zugeteilten Lebensmittel. So erhielt ein Schwerarbeiter (das waren Leute, die in der Rüstungsindustrie arbeiteten) mehr als jemand, der eine Bürotätigkeit ausübte.

Die Farbe der Karte änderte sich jeden Monat. Die nicht eingelösten Marken wurden mit dem 1. Tag des neuen Monats ungültig. Es war bei schwerster Strafe verboten, gegen diese Bestimmungen zu verstoßen. Selbst wenn man den Kunden sehr gut kannte, war die Gefahr zu groß, dass ein anderer Kunde im Geschäft, der dieses beobachtete, als treuer Parteigenosse sofort Anzeige erstatten würde.

Ich will hier, da meine Eltern eine Bäckerei hatten, etwas über die Brotmarken berichten. Die Brotmarken befanden sich auf der Karte (nebenbei: es war keine Karte, sondern ein Papierbogen in der Größe eines DIN A4-Blatts) auf der linken Seite und waren unterteilt in 1000 gr., 500 gr., 100 gr. und 50 gr. Wenn man z. B. 3 Brötchen á 50 gr. kaufen wollte, musste der entsprechende Preis gezahlt werden, und zusätzlich wurden von der Karte eine Marke á 100 gr. und eine Marke á 50 gr. abgeschnitten. Die Marken hatten neben der Gewichtsangabe auch eine unterschiedliche Größe. Eine 50 gr. Marke ca. 10 mm in Länge und Breite, während eine 1000 gr Marke ca. 20 mm breit und 30 mm lang war. Die anderen Größen lagen dazwischen. So mussten also diese Markenabschnitte, genauso wie das Geld, getrennt in einer Lade oder in einem Karton mit mehreren Fächern aufbewahrt werden.

Mehrmals in der Woche wurden die Marken dann auf Zeitungspapier geklebt, und zwar säuberlich getrennt nach den aufgedruckten Gewichtswerten. Auf jeden Bogen kamen bis zu 20 Marken in der Länge und in der Breite. In der Anfangszeit mussten die Bäcker den notwendigen Kleister aus Mehl und Wasser selbst herstellen. Später gab es dann einen Leim zu kaufen. Alle 10 Tage wurden diese Bögen zum Ernährungsamt gebracht, und dort erhielt der Bäcker dann einen Bezugschein für das Mehl, um weiter produzieren zu können.

Die dem Bäcker zur Verfügung gestellte Mehlmenge entsprach jedoch nicht dem Wert der abgegebenen Marken. Es wurden mindestens 20-25% abgezogen. Dieses entsprach in etwa dem Wasseranteil in einem Laib Brot. Im Verlauf des Krieges wurden die monatlichen Mengen geringer. Vor allem als der so genannte siegreiche Vormarsch sich in das Gegenteil wandelte und die Ernteerträge aus den eroberten Gebieten nicht mehr zur Verfügung standen.

Autor: Richard Hensel

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