Urbanes Leben in den Zwanzigern (1920 und später)

von Wilhelm Simonsohn | Nach dem 1. Weltkrieg wurde in der damals noch selbstständigen Stadt Altona ein Wohnbauprojekt verwirklicht, das deutschlandweit Beachtung fand.

Es wurde nämlich eine geschlossene Reihenhaussiedlung erbaut für die in vorbildlicher Weise je Haus etwa 200 bis 300qm Grünfläche vorgesehen waren mit dem Ziel, den Einwohnern eine zusätzliche Ernährungsquelle zu schaffen. Dies bedeutete, dass diese Flächen wirtschaftlich genutzt werden sollten, Obst und Gemüse anzubauen sowie Kleinvieh zu halten. Mein Elternhaus war eines von diesen zweigeschossigen Reihenhäusern, und es gackerten ein Dutzend Hühner in  unserem Hühnerstall. Auch zwei Kaninchen gehörten zum Tierbestand.

Diese Siedlung schloss sich sozusagen zu einer dörflichen Gemeinschaft zusammen, in der ein reger Kontakt mit den Nachbarn an der Tagesordnung war. Es gab Bewohner, die diese Gemeinschaft mit Veranstaltungen, u. a. Kinderfesten, zusammenhielten.

So gab es im Zentrum dieser Siedlung einen großen „Aufmarschplatz”, der eingerahmt war von einer Produktionsgenossenschaft (heute würde man den als Supermarkt bezeichnen) und einem Gasthaus namens „Lindenkrug“ mit Räumlichkeiten für Tanzveranstaltungen und Kinovorführungen.

Für uns Kinder war diese Siedlung ein wunderbares Betätigungsfeld, auch auf den engen Straßen, da jeder Autoverkehr in der damaligen Zeit Seltenheitswert hatte. Spiele aller Art waren für uns Kinder dort eine ungefährliche Selbstverständlichkeit.

Natürlich hatte dieses Leben auch seine Schattenseiten. Dazu gehörte, dass ich für meine Kaninchen Grünfutter beschaffen musste. Schlimmer noch als diese Pflichtübung war jedoch, dass ich für meine Mutter, wenn sie „Große Wäsche“ hatte, die kräftezehrende Wring- bzw. Mangelmaschine kurbeln musste.

Ansonsten war unser spielerischer Aktionsradius unbegrenzt. Im Winter war Rodeln im Volkspark angesagt, und im Sommer lagen wir mit dem Stadtteil Lurup in Fehde und fochten nahe am Rand des Flugplatzes Bahrenfeld unsere sogenannten Straßenschlachten aus.

Kurzum: Das Ambiente in dieser Siedlung bescherte uns Kindern eine unbeschwerte Jugendzeit – eine Zeit ohne Computer und Handy und doch voller Leben.

Autor: Wilhelm Simonsohn