Oma und Opa Wedding (1930er Jahre)

von Peter Bigos | Meine Großmutter Marianne war mit dem Haushalt ausgelastet.

Wenn wir zum Kaffeetrinken eingeladen wurden, für Kinder gab es natürlich nur Muckefuck, also Malzkaffee, wurde in der guten Stube mit dem großen Berliner Kachelofen der Tisch mit dem Biedermeiergeschirr gedeckt und es gab zum Beispiel Bienenstich oder Kameruner. Beim Backen der Kameruner, braune Berliner in Form einer Acht mit Zucker bestreut, durfte ich zuschauen. Im großen gusseisernen mit Emaille beschlagenen Topf wurden sie in Flomen oder Schmalz ausgebacken. (…)

Die Diele in der Genter Straße war lang, schmal und dunkel wie ein Schlauch. Das WC befand sich immerhin innerhalb der Wohnung, aber ebenfalls einem schmalen, dunklen Gang. Am Ende stand das etwas verrostete Toilettenbecken; in etwa zwei Metern Höhe erblickte man ein winziges Toiletten-Fenster, und auf einem Drahthaken das aus alten Zeitungen zurechtgeschnittene Klopapier, daneben Berge von alten Tageszeitungen. Wir waren als Kinder schon an bessere sanitäre Verhältnisse gewöhnt und mochten wohl deshalb nicht so gerne zu Oma und Opa Wedding. (…)

Die Großeltern mütterlicherseits, Agnes und Karl Sierakowski, nannten wir Oma Agnes und Opa Karl, sie wohnten ganz anders und vornehm, in einer so genannten „Berliner Wohnung“, im Bezirk Charlottenburg, Pestalozzistr. 72, im Vorderhaus, 1. Etage, obwohl auch hier aufgrund der großen Familie mit 6 Kindern, kein üppiger Wohlstand herrschte. Das war schon eine Mittelstandswohnung mit großer Diele, vielen Zimmern, Küche und Bad.

Opa Karl war gelernter Zimmermann, hatte bei Preußens gedient, war auch kurzfristig als Schiffszimmerer in Hamburg. Er ging wieder zurück nach Berlin und wurde bei der Berliner Feuerwehr eingestellt.

Oma Agnes stammte aus einer deutsch-italienischen Familie. Mir ist noch ein Foto in Erinnerung, auf dem sie als bildhübsche Frau um 1900 mit einem modischen Biedermeierkleid und großem Hut zu sehen ist, wie man ihn auch bei Damen des kaiserlichen Hofes trug. Anfang des neuen Jahrhunderts, unterhielt sie auf dem Wochenmarkt einen Eierstand und trug so zur Erhöhung des Familienbudgets bei. (…)

Unsere Großeltern wirkten auf uns Jugendliche trotz ihres mittleren Alters zwischen 50 und 60 Jahren schon sehr alt. Die meistens dunkle Kleidung und besonders die altmodischen Frisuren („Dutt“) und Hüte der Frauen trugen dazu bei.

Autor: Peter Bigos