O mia bella Napoli (1964)

von Ingeborg Schreib-Wywiorski | Meiner Ente wollte ich die Große Welt zeigen! Also gings 1964 im September mit meinem neuen stolzen Besitz nach Süditalien. Ein Deux Chevaux 18 PS.

Über den Brenner? Das war mir zu profan, nein, ich wollte etwas Neues ausprobieren: Über den San Bernardino! Nicht durch den Tunnel, nein! Das konnte ja jeder, oben drüber musste es sein: 2002 m galt es zu überwinden! In immer schärferen Haarnadelkurven, ganz ohne Überholspur.

Schon bald bildete sich eine endlos hupende Schlange hinter mir, die ich da den Berg hinauf kroch. Liebeslieder waren es nicht, die man mir entgegen schleuderte, wenn sich endlich eine Überholmöglichkeit für meine Hintermänner bot. So dankte ich meinem Schöpfer, als ich endlich auf der anderen Seite bergab fahren konnte.

Doch du meine Güte, das war ja  fast noch schlimmer! Gefährlich legte sich die Ente auf die Seite, auf zwei Rädern in die Kurve! Schneller, immer schneller. Also doch lieber langsam! Zurückschalten!

Wie war das noch mit diesem verdammten Hebel? Wohin musste der zurück gedreht werden. Nein, nicht in den Vierten! Auch nicht in den Dritten! Und schon wieder eine Kurve.

Meine arme Beifahrerin zitterte wie Espenlaub, bat um Erbarmen für ihre kostbare neue Festgarderobe! So mühsam zusammengespart. Damit wollte sie doch auf der Rückfahrt in Venedig aussteigen, um vor ihrer neuen Liebe bei den Filmfestspielen in Venedig zu glänzen. Aber würden die Kleider, obwohl sie ja sorgfältig verpackt waren im Koffer, aber doch nur in dem kaum so zu benennenden Kofferraum hinter den Sitzen verstaut waren, diese Erschütterungen überstehen? Ja, sie schafften es. Bis vor den Eingang des Kunstmuseums in Neapel.

Endlich war ich einem meiner großen Träume näher, vor dem Spätwerk Tizians im Original stehen zu können. Meine mitfahrende Kollegin dachte nur an ihre Kleider und Venedig und fand solche Ideen einfach blöd. Aber sie musste sich fügen.

Zu ihrer Sicherheit baten wir eindringlich einen Wächter, ihn halb deutsch halb italienisch umgarnend, auf die kostbare Fracht aufzupassen. Welcher Neapolitaner hätte soviel teutonischem Charme widerstehen können? Beim Leben Marias schwor er, aber nur, wenn wir anschließend mit ihm und seinem Vetter auch ausgehen würden! Na ja…

Zwei Stunden später, die herrlichen Bilder des späten Tizians noch immer in Gedanken vor mir, vor dem Auto gewohnheitsmäßig den Schlüssel im Schloss, wunderte ich mich kurz, ich konnte die Tür anstandslos öffnen. Die ganze Fahrt über klemmte das Schloss, ich musste immer das Verdeck hochrollen, um von innen zu öffnen. Und da ertönte auch schon ein markerschütternder Schrei: Mein Koffer, meine Kleider!!! Alles weg!

„Wywi, wir sind beraubt worden!“ Die ganze Frau eine einzige Anklage. Der Koffer war weg. Aber meiner auf der Rückbank war noch da. Nur wo war denn unser liebestoller Wärter?

„Der hatte Schichtwechsel.“ Richtig, alle Wärter am Museumstresen waren jetzt andere. „Ja, man solle ihn holen“, verlangten wir aufgebacht. Das ginge nicht. Wie der heißt, das wisse man nicht.

Polizei! „Ja, die könne man holen“. Polizei kam, „man müsse das untersuchen, wir sollen mit, genaue Angaben machen. Alles sehr traurig“, und immer dieses Augenverdrehen! Neapolitanische Männer seien doch ganz anders als unsere! Und Neapel ist so schön, wir sollen nicht schimpfen. Sie könnten uns doch Neapel zeigen!

„Neapolitaner lieben die Deutschen. Besonders die jungen Frauen.“ Nein danke, wir hatten genug. Jetzt nur noch die Unterlagen für die Versicherung! Die Polizisten beharrten aber: „Einen Geleitschutz bis zur Autobahn, auf dem müssen wir aber bestehen! Als Wiedergutmachung.“

Und so wurden wir sicher durch das frühabendliche Neapel mit Polizeieskorte zur Autobahn Richtung Norden geleitet.

Erst in der sicheren Schweiz machten wir wieder Halt.

Autorin: Ingeborg Schreib-Wywiorski