Herr Hallstein und die „Tüttel“ (1955 – 3.05.1990)

von Claus Günther | Die nach ihm benannte Hallstein-Doktrin, die den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland zementieren und die DDR isolieren sollte, hat Prof. Walter Hallstein gar nicht selbst erfunden. Immerhin aber hielt sie von 1955 unter Adenauer bis zum Jahre 1969, als Willy Brandt sie abschaffte.

Zu verdanken war dieser Bonner Ukas der Tatsache, dass ab 1949 zwei deutsche (Teil-)Staaten existierten: die Bundesrepublik und die DDR.

Wir Älteren hatten zuvor ja noch die „zonalen“ Entwicklungen erlebt, als sich zunächst die englische und amerikanische Zone zusammenschlossen und kurz darauf auch noch die französische Besatzungszone hinzukam. „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, sangen wir mit den Karnevalisten, 1948.

„Drüben“, die DDR, das blieb lange Jahre hindurch die SBZ, die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands oder auch einfach „die Zone“. Es war verpönt, von der Deutschen Demokratischen Republik zu sprechen oder gar zu schreiben: Wer das tat, galt als Kommunist. DDR – durfte man aber auch nicht sagen; man sprach und schrieb nur „so genannte DDR“. Als diese dann immer mehr internationales Ansehen gewann, war es die einflussreiche Springer-Presse, die grundsätzlich „DDR“ schrieb, den Staats-Begriff also in Anführungszeichen bzw. Gänsefüßchen setzte – „Tüttel“ sagen die Hamburger dazu.

Die Satirezeitschrift „Pardon“ drehte eines Tages den Spieß um und schrieb einen offenen Brief an Axel Springer, Überschrift: Sehr geehrter Herr „Springer“.

1973 schließlich kam auch die BRD – die Bundesrepublik Deutschland – nicht umhin, die DDR regelrecht anzuerkennen, deren Existenz sechzehn Jahre später mit dem Fall der Mauer am 9.11.1989 endete, offiziell jedoch erst am 3.10.1990. Die oft beschworene Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit war vollendet.

Abermals sechzehn Jahre später, 2006, beschworen uns die Medien: „Du bist Deutschland“. Aha. So so. Bin ich das? Bist du das? Sind wir das wirklich – alle?

Autor: Claus Günther

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