Der Schützenzug (1948 bis heute)

von Manfred Hüllen | Kaum hörten wir die Musikgruppe des Schützenzuges, schon liefen wir schnell zu der Straße hin, wo er marschierte. Wir, das waren meine Freunde Wolfgang Knelleken, Peter Bengel und ich. Auf der Martinstraße in Düsseldorf-Bilk hatten schon einige Schützen ihre Pferde an einen Zaun angebunden und waren gegenüber in die Gaststätte gegangen. Jetzt aber bog die Schützengarde um die Straßenecke, vorne weg der Schützenmajor, der mit seinem Taktstock den Marschrhythmus angab. Für uns Zuschauer ein sehr schöner Anblick, waren doch die erfreulichen Dinge zu dieser Zeit eher selten.

Je näher die Schützenmusik kam, umso lauter wurde es. Meine Freunde und ich standen auf dem Bürgersteig, hinter uns die angebundenen Pferde. Da passierte es, mich traf ein ungeheuer starker Schlag und ich war bewusstlos.

Es wurde wieder hell um mich und ich lag in einem Bett im Krankenhaus. Was war passiert? Meine Mutter erzählte mir: Ein fremder Junge hatte mit einem Stock ein Pferd geschlagen und da ich mich wohl kurz umdrehte, traf mich das Pferd in den Unterleib. Der Arzt teilte meiner Mutter mit „der Junge hat einen Beckenbruch, einen Muskelriss und schwere Blutergüsse.“ Doch der Bruch sei ein glatter, ich müsste mich ruhig verhalten und nur langsam gehen dann könnte ich wohl in 10 Tagen wieder nach Hause“. Durch die Wucht des Trittes war mein Körper durch die Musikkapelle geschleudert worden und einem Schützen wurden ein paar Zähne ausgeschlagen.

30 Jahre später kam dieses Erlebnis wieder hoch. Ich war inzwischen Geschäftsführer meiner Hamburger Firma in der Schweiz geworden. Meine Frau und ich beschlossen, jetzt an Nachwuchs zu denken. Der mich untersuchende Arzt aus Sarnen in dem Kanton Obwalden teilte mir nach der erforderlichen Spermauntersuchung mit: „Du, Manfred, kannst vieles machen, aber keine Kinder!“

Bei der Ursachenforschung kam meine Erinnerung zurück: der Pferdetritt und der Beckenbruch. Dr. Bätchie meinte: „Du bist von einem Pferdetritt sterilisiert worden, aber das Liebesleben ist dir erhalten geblieben!“ Natürlich war es ein emotionaler Schlag.

Einige Zeit später änderten wir unsere Lebensplanung. Da wir in der Schweiz keine Kinder adoptieren konnten, beschloss meine Frau, in Luzern ein Kunststudium zu machen.

Da wir heute 55 Jahre glücklich verheiratet sind, kann man mit Recht sagen, unsere Ehe hat nicht darunter gelitten!

Autor: Manfred Hüllen