Verdunkelung (1943-45)

von Ingeborg Schreib-Wywiorski | Astronauten schwärmen heute von dem unwiderstehlich schönen Blick auf die funkelnden, leuchtenden Inseln inmitten von Nachtdunkelheit beim Rundflug um unsere Erde. Diese Inseln, die im All zu erkennen sind, sind unsere hellerleuchteten Großstädte. Wo Tag und Nacht ineinanderfließen und kaum noch einer wirkliche Dunkelheit kennt.

Ganz anders war es in meiner Kindheit in Berlin. Als die Bombardierungen der Städte begannen, begann die allgemeine Verdunklung, um den anfliegenden Bombern nicht die Abwurfziele auf dem Präsentierteller zu servieren. Mit einbrechender Dunkelheit mussten alle Fenster vollkommen blickdicht mit dicken, schwarzen Vorhängen abgedunkelt werden.

Die Blockwarte, die jeweils in den Mietshäusern für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatten, mussten jeden melden, der gegen diese Verdunklungsverordnung verstieß. In den Wohnungen fiel das umso leichter, als bald Stromsperren verhängt wurden und gegen Ende des Krieges der Strom sowieso ganz ausfiel, weil die Stromnetze zerstört waren.

So saßen wir abends bei Kerzenlicht, solange es noch Kerzen gab, oder bei Petroleumlicht, soweit es in den Haushalten Petroleumlampen aus der Zeit vor der Erfindung des elektrischen Lichts gab. Besonders helles Licht zum Lesen spendeten die Karbidlampen, die später aufkamen und immer fürchterlich stanken.

In den Straßen herrschte natürlich auch völlige Dunkelheit. Alle Straßenlaternen waren abgeschaltet. Wer trotz alledem aber auf die Straße musste, der hatte eine abgedunkelte Taschenlampe dabei. Das heißt, dass die Birne durch einen nur nach unten geöffneten Klapp-Deckel abgedunkelt war. Zusätzlich konnte mit einem kleinen Hebel entweder ein Grünfilter oder Rotfilter vor die Glühbirne geschoben werden, was das Licht zusätzlich abschwächte (s. Abb.).

Man konnte sich diese Lampe an einen Mantel- oder Hosenknopf anknöpfen, um die Hände frei zu haben. Zum Tragen aller eventuell lebensrettenden Habseligkeiten oder für uns Kinder, die wir nachts aus dem Schlaf gerissen wurden mit den ersten Vorwarnsirenentönen. Diese Verdunklungslampe gab wenigstens ein bisschen Licht auf dem Weg durchs Treppenhaus, in den Keller oder über die Straße in den Luftschutzkeller, wo immer die Bewohner von drei Mietshäusern zusammen auf die Entwarnung warteten.

Wir hofften alle, dass die herunterprasselnden Brandbomben uns und unsere Häuser verschonten, so dass wir weiterschlafen konnten.

Gegen Kriegsende mussten wir bis zu dreimal in den Keller. Ich vermute heute, dass unsere Mutter es dann aufgab, für die Fortsetzung unseres Schlafs uns jedes Mal wieder an- respektive auszuziehen.

Autorin: Ingeborg Schreib-Wywiorski