Strafe muss sein (1940-49)

von Hansjörg Petershagen | Im April 1940 wurde ich in die Schule Am Hirtenweg in Othmarschen eingeschult. Heute ist aus dieser kleinen Grundschule die Loki-Schmidt-Schule geworden.

Ich war wohl in der dritten Klasse, als ich meine erste Strafe erhielt. Direkt neben der Schule lag ein kleiner Teich. Es war verboten, in der Pause an diesen Teich zu gehen. Ich tat es trotzdem, wurde prompt dabei von einer Lehrerin erwischt und musste zur Strafe fünfzigmal schreiben; „Ich bin an den Teich gestiegen, obwohl ich wusste, dass es verboten ist. Ich bin ungehorsam.“ Ich schrieb also, und das Ergebnis meiner Mühen wurde von der Lehrerin gnädig entgegengenommen. Was sie allerdings nicht bemerkte – ich hatte den Text nur neunundvierzigmal geschrieben…

Im Herbst 1944 wechselte ich zur Oberschule, dem Christianeum, damals eine reine Jungenschule. Hier waren körperliche Strafen bis zur Mittelstufe durchaus üblich. Es folgt eine kleine Blütenlese, zumeist aus eigenem Erleben.

Unser Direktor, Herr D., war kriegsbeschädigt. Mit dem ihm verbliebenen linken Arm pflegte er den Rohrstock zu benutzen. Vor dem Kriegsende versuchten Schüler bisweilen, dieser Strafe zu entgehen, indem sie in Jungvolkuniform zur Schule kamen. Die „Uniform des Führers“ durfte nämlich nicht geschlagen werden. Herr D. wusste sich jedoch Rat. Er kommandierte „Hosen runter“, und der Rohrstock trat in Aktion.

Unser erster Klassenlehrer war Herr H.. Er erteilte Ohrfeigen. Einmal war ich „dran“, musste nach vorne kommen und erhielt meine Backpfeife. Danach vertiefte sich Herr H. in das Klassenbuch, während ich neben dem Lehrertisch stehen bleiben musste. Ich bekam recht heftiges Nasenbluten, ließ das Blut jedoch einfach laufen. Schließlich machte ein Mitschüler den Lehrer auf meinen Zustand aufmerksam. H. blickte auf und bekam angesichts meines blutverschmierten Gesichtes wohl einen Schreck. Jedenfalls schickte er mich zur Toilette, um das Blut abzuwaschen. Anschließend bot er mir an, in Begleitung eines Mitschülers nach Hause zu gehen, was ich jedoch ablehnte. So weit ich erinnere, hat H. mich danach nicht wieder geschlagen.

Eine andere Art der Strafe, die H. anwandte, war es, ein Büschel Haare des Schülers um seinen Zeigefinger zu drehen und heftig zu ziehen. Auch hierbei hatte er jedoch in einem Fall Pech – er hielt das Haarbüschel plötzlich ausgerissen in der Hand.

Herr K., er erteilte Erdkundeunterricht, ermahnte unaufmerksame Schüler, indem er ihnen mit einem Lineal kräftig auf die Hand schlug. So geschah es einmal, als ein Mitschüler mir von hinten einen Gegenstand zusteckte, den ich zurückschob. Herr K. hatte den Vorgang bemerkt,   kam hinzu und das Lineal sauste herab – auf meine Hand. Ich empfand dies als nicht besonders gerecht, hatte ich mich doch nur gegen eine Belästigung gewehrt.

Schließlich sei Herr A., genannt „Boller“, erwähnt. Den Grund für seinen Spitznamen bekam ich recht schmerzhaft zu spüren.

Es hatte geschneit, und ich konnte es nicht lassen, während der Pause auf dem Schulhof einen Schneeball in Richtung einer Gruppe von Mitschülern zu werfen. Nicht bemerkt hatte ich, dass „Boller“ sich in dieser Gruppe befand. Irgendwie hatte er mich als den Schneeballwerfer identifiziert, kam gemessenen Schrittes auf mich zu und verpasste mir eine gewaltige Ohrfeige. Anschließend schickte er mich zwecks weiterer Bestrafung zu meinem Klassenlehrer. Der, wohl in Kenntnis der „Handschrift“ seines Kollegen, verzichtete jedoch auf weitere erzieherische Maßnahmen. Immerhin hatte ich noch mehrere Tage mit Ohrenschmerzen zu tun. Heute würde einen Lehrer nach einem solchen Vorgang wohl zumindest ein Disziplinarverfahren erwarten.

Zum Schluss sei betont, dass die Mehrzahl der Lehrer kraft ihrer Persönlichkeit und ihres Auftretens in der Lage waren, ohne Strafen für Disziplin und Ordnung zu sorgen.

Autor: Hansjörg Petershagen