„Mädchen, die müssen sich ducken…“ Über das Bild der Frau einst und jetzt (1938-2008)

von Claus Günther | Während Heinz Rühmann 1938 behauptete: „Ich brech die Herzen der stolzesten Frau´n“ und Margot Hielscher 1943 erkannte: „Frauen sind keine Engel“, sangen wir Hitlerjungen zu jener Zeit: „Mädchen, ob blond oder braune, stecken voller List und voller Laune! Mädchen, die müssen sich ducken, blinzeln ganz heimlich und gucken. Ja, Mädchen, die sind stets zum Warten bestimmt, bis so ein Lausbub ein Mädel sich nimmt!“

Der Mann „nahm“ sie sich also, wenn sie sich geduckt hatte, die Kleine; er war schließlich der Ernährer und machte das Mädelchen zur Hausfrau und Mutter. „Meine Frau“, hat mein Vater zeitlebens betont, „brauchte nie mitzuarbeiten.“ Er hielt sich viel darauf zugute. Übrigens: Wenn alles nach Plan lief, „schenkte“ die Angetraute ihrem Gatten 9 Monate nach der Hochzeit den ersehnten Stammhalter, der den Familiennamen weiter trug. Heute, dank neuer Gesetze, kann man das vergessen.

Nicht zu vergessen sei: Der Mann hatte natürlich größer zu sein als die Frau, „reifer“ gemäß seiner Rollenvorstellung sowieso, und älter auch. Mein Vater war allerdings vier Jahre jünger als meine Mutter, und als die beiden heirateten, war ich schon drei Monate unterwegs. Eine Muss-Heirat also, wie es damals hieß. Nun, immerhin…

Meine Eltern waren bemüht, sich modisch zu kleiden; Vater besaß eine silberne Zigarettenspitze, trug Anzüge mit messerscharfen Bügelfalten und den obligatorischen Scheitel, Mutter legte Wert auf ihre Dauerwelle und setzte sich beim Ausgehen einen Hut mit Schleier auf. Freilich war sie meilenweit davon entfernt, schon vom Typ her, sich mondän zu kleiden wie Marlene Dietrich und womöglich einen Smoking mit Hut zu tragen oder auch nur deren Stil zu kopieren, indem sie etwa eine bequeme weite Hose in Herrenfasson mit Bügelfalte anzog. „Ich bin doch kein Mannweib!“, hätte meine Mutter dazu gesagt. Klar war auch: „Die deutsche Frau raucht nicht!“ – auf der Straße ohnehin nicht.

Mit Beginn des Krieges änderte sich die Mode nahezu schlagartig und zwangsläufig: 1939 wurde die Reichskleiderkarte eingeführt; sie enthielt 100 Punkte und war ein Jahr lang gültig. Zu Hause trug meine Mutter jetzt meistens Schürzen und Kittel, um ihr Zeug zu schonen. Draußen aber, im Winter und in den Übergangszeiten, trug sie unter dem Mantel und unter dem Kleid eine Trainingshose und im Übrigen Söckchen. Strümpfe waren Mangelware.

Als ausgesprochen hässlich habe ich ihren Turban empfunden: einen um den Kopf geschlungenen Schal, der vor Schmutz und Staub schützen und das unfrisierte Haar verdecken sollte. Noch lange nach dem Krieg lief sie damit herum: In der so genannten „schlechten Zeit“ gab es ja nicht mal Hüte.

Frauen zwischen 14 und 25 Jahren mussten übrigens ab 1938 ein hauswirtschaftliches Landjahr („Pflicht-jahr“) ableisten; junge Männer kamen bereits ab 1935 zum Reichsarbeitsdienst. Der Krieg brachte es auch mit sich, dass Frauen Männerberufe ergriffen – nicht immer freiwillig und meistens weitaus schlechter bezahlt. Wir sangen: „Liebe kleine Schaffnerin, sag, wo fährt dein Wagen hin…“ Meine Mutter hatte Angst, für die Rüstungsindustrie zwangsverpflichtet zu werden. Ich hingegen wunderte mich, warum unsere zur Wehrmacht eingezogenen jungen Frauen „Blitzmädel“ genannt wurden, die sowjetischen Soldatinnen hingegen „Flintenweiber“.

Nach dem Krieg wurde vieles anders, vor allem ab 1948, direkt nach der Währungsreform. Wohl am meisten begehrt waren bei Frauen Nylonstrümpfe (Ach ja: Strümpfe mit Naht! Wo ist eigentlich die erotische Naht geblieben?).

1950 wurde Susanne Erichsen zur ersten „Miss Germany“ gekürt; sie verkörperte alsbald das „Fräulein-wunder“. Ich selbst durfte 1953, mit 22 Jahren, zum ersten Male wählen und war zu dieser Zeit sehr darauf erpicht, mit jungen Damen „Brüderschaft“ zu trinken – natürlich mit anschließendem Kuss.

Dann aber, 1960, kam die Pille, und 1968 trat das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Die Frauen wurden immer selbstbewusster!

Heute stehen ihnen praktisch alle Berufe offen, sie nahmen uns Männern das Privileg der langen Hosen, tragen Business-Anzüge, spielen Fußball, boxen und stellen die deutsche Kanzlerin. Nur das Kinderkriegen haben sie anscheinend verlernt. Es fehlt an Nachwuchs! Aber wir Rentner können schließlich nicht alles machen…

Ach, was waren das noch für Zeiten, als wir Männer den Frauen gezeigt haben, wo der Hammer hängt! „Mädchen, die müssen sich ducken“ – das war doch gar nicht so schlecht, meine Herren, oder?

Autor: Claus Günther

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